Susanne Schober
Home sweet home - 12. März 2012
Installation, 2012
Teil 1 275 x 150 Acryl
und Kreide auf Gewebe
Teil 2 140 x 180 Acryl
und Kreide auf Gewebe
Teil 3 140 x180 Acryl
und Kreide auf Gewebe
Teil 4 Objekt
Lesung: Aufnahmetechnik: Ernst Schmid
Mitwirkende Ernst Schmid
Barbara Heigl
Ralf Mathiaschitz
Daniela
Rzepa
Susanne Schober
Die Arbeit stellt die Art und Mächtigkeit der
medialen Information und die Reizüberflutung durch die Medien und in den Mittelpunkt. Lassen Sie sich zum
Nachdenken über die Medienpolitik und über den eigenen Umgang mit Information und
Medien anregen und nehmen Sie Platz im Wohnzimmer.
„Die
Medienküche serviert uns täglich einen Realitätseintopf mit unzählig vielen
Zutaten, die doch jeden Tag gleich schmecken.“ (Peter Sloterdijk, Kritik der
zynischen Vernunft, Band 2)
12. März 2012 – die neuesten Nachrichten – Wahrheiten – Halbwahrheiten
– Sensationen – Börsenbericht – Skandale – Horoskope – Katastrophen – Klatsch –
Wetter – erschütternd –unterhaltsam – wichtig – nebensächlich – frisch
selektiert und durchgemischt – in ganzer Fülle – fällt auf Ihren
Frühstückstisch – kriecht in Ihr Bett – erfüllt Ihr Wohnzimmer – begleitet Sie
aufs Klo – liegt in Ihrer Küche – undifferenziert – beliebig –
vorselektiert – wussten Sie schon?
– summiert sich in Ihrem Kopf – wozu? – kein müdes Lächeln – kein Kopfschütteln
– egal – wichtig – unwichtig – richtig –
falsch – gleichgültig – gleichförmig – unüberschaubar – Sie sind informiert –
oder?
Schule der Beliebigkeit
„Dem Bewusstsein, das sich nach allen Seiten
hin informieren lässt, wird alles problematisch und alles egal.
… Es (das
Informationswesen) überflutet unsere
Bewusstseinskapazitäten in einer geradezu antropologisch bedrohlichen Weise …
Ohne ein jahrelanges Abstumpfungs- Elastizitätstraining kann keine menschliches
Bewusstsein mit dem zurechtkommen, was ihm beim Durchblättern einer einzigen
umfangreicheren Illustrierten zugemutet wird; … Eine ungeheure Gleichzeitigkeit
spannt sich in unserem informierten Bewusstsein aus: Hier wird gegessen; dort wird gestorben. Hier
wird gefoltert; dort trennen sich prominente Liebende. Hier geht es um den
Zweitwagen, dort um eine landesweite Dürrekatastrophe. Hier gibt es Tipps zur Abschreibung
nach § 7b, dort die Wirtschaftstheorie der Chicago-Boys. Hier toben Tausende im
Pop-Konzert, dort liegt jahrelang eine Tote unentdeckt in ihrer Wohnung. Hier
werden die Nobelpreise für Chemie, Physik und Frieden verliehen; dort weiß nur
jeder zweite den Namen des Bundespräsidenten. Hier werden siamesiche Zwillinge
erfolgreich getrennt; dort stürzt ein Zug mit zweitausend Menschen in einen
Fluss. Hier wird eine Schauspielertochter geboren; dort gehen die Schätzungen
über die Kosten eines politischen Experiments von einer halben Million bis zu
zwei Millionen (Menschen).-Such is life. Als Nachricht ist alles Verfügbar. Was
Vordergrund ist, was Hintergrund; was
wichtig, was unwichtig; was Trend, was Episode:
alles reiht sich in eine gleichförmige Linie, worin Gleichförmigkeit
auch Gleichwertigkeit und Gleichgültigkeit erzeugt. … Die unerschöpfliche
„Ordnungs“kapazität der Massenmedien
gründet in ihrem additiven „Stil“. Nur weil sie sich auf den Nullpunkt gedanklicher
Durchdringung festgesetzt haben, können sie alles geben und alles sagen, und
dies wiederum alles auf einmal. Sie haben nur ein einziges intelligibles
Element: das „Und“. … Die Medien können alles geben, weil sie den Ehrgeiz der
Philosophie, das Gegebene auch zu verstehen, restlos haben fallen lassen. Sie
umfassen alles, weil sie nichts erfassen; sie bringen alles zur Sprache und
sagen über alles nichts. … Die Medienküche serviert uns täglich einen
Realitätseintopf mit unzählig vielen Zutaten, die doch jeden Tag gleich
schmecken. … Darum: Wer Zusammenhänge herstellt, fliegt raus. Wer bis drei
zählt ist ein Phantast. … Dem „Und“ das alles verbindet ist es gleichgültig
was es verbindet; das „Und“ hat die Tendenz zum Ist-gleich … dann wird alles mit allem gleich, und jedes
gilt gleich viel wie das andere. …
Daher: … Jeden Tag muss man von dem Naturrecht, Millionen Dinge nicht zu
erfahren erneut Gebrauch machen. … Ich registriere, als Hyperinformierter, dass
ich in einer um das Tausendfache zu großen Nachrichtenwelt lebe und dass ich
über das meiste nur die Achseln zucken kann, weil meine Kapazität der
Anteilnahme, der Empörung oder des Mitdenkens winzig ist im Vergleich zu dem
was sich anbietet und an mich appelliert.
… wir leben in einer Welt, die die Dinge in falsche Gleichungen bringt,
falsche Gleichförmigkeit und falsche Gleichwertigkeiten (Pseudo-Äquivalenzen)
zwischen allem und jedem herstellt und dadurch auch zu einer geistigen
Desintegration und Gleichgültigkeit gelangt, in der die Menschen die Fähigkeit
verlieren, Richtiges und Falsches, wichtiges und Unwichtiges, Produktives und
Destruktives voneinander zu unterscheiden – weil sie eins fürs andere zu nehmen
gewohnt sind.
Bruchstücke aus Peter
Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, Band 2; Schule der Beliebigkeit _
Informationszynismus, Presse