Schatten

REDE ZUR AUSSTELLUNG


Der „Schatten“ ein allgegenwärtiges und vielschichtiges Phänomen in Bild und Objekt. 

Die Ausstellung versucht den verschiedenen Aspekten des Themas Schatten nachzugehen und den verschiedenen künstlerischen Zugängen Raum zu geben. Der Schatten soll als vielschichtiges Phänomen sowohl auf seinen  formalen Charakter als auch auf seine inhaltlichen Komponenten hin  untersucht werden.

Wie Alles in der Natur gibt es auch hier  zwei Seiten. Zum Einen sind Licht und Schatten Gegenspieler. Ohne Licht gibt es keinen Schatten und jedes  Licht erzeugt Schatten. Zum Anderen steht das materielle Erscheinungsbild eines Objekts einem nichtmateriellem Abbild des Objekts gegenüber.

Wenn wir von dem Schatten sprechen und  genauer hinsehen wird deutlich, dass es den einen Schatten nicht gibt. Das Licht lässt verschiedene Arten von Schatten entstehen. Es kommt auf die Lichtquelle, die Objektbeschaffenheit und die Lage von Objekt und Lichtquelle an, wie der Schatten aussieht. Kernschatten und Schlagschatten sind uns aus der Physik bekannt. Es gibt Schatten in verschiedenen Grauabstufungen aber auch farbige Schatten. Je nach Lage und Beschaffenheit der Lichtquelle entstehen harte oder diffuse, lange oder kurze Schatten. Denken wir an Schatten die durch Kerzenlicht oder Neonlampe entstehen, an Wintersonne oder Sommersonne.

Eine weitere markante Eigenschaft des Schattens ist seine Flüchtigkeit, seine Gebundenheit an die Zeit. Zum Einem sind Licht Wellen und zum anderen befinden wir uns in einem sich ständig bewegenden System in dem  Schatten keine Beständigkeit besitzen.

Im Alltag sind wir permanent mit Schatten konfrontiert. Selten nehmen wir sie war und doch beeinflussen sie uns. Im Sommer kann er kühlen und uns Schutz spenden. Er kann die Sicht einschränken und wir fühlen uns unwohl. Ein langer Schatten kann unangenehm sein. Ein Schatten, dessen Objekt wir nicht sehen kann uns ängstigen.

In der Kunst gibt uns die Darstellung des Schattens die Möglichkeit den Eindruck von Plastizität und Räumlichkeit zu erzeugen In der Malerei ist er unabdingbar um Objekte naturnahe darzustellen zu können. Lassen wir den Schatten in der Malerei weg wirken Objekte nicht mehr natürlich sondern abstrakt. Auch in der Plastik, in der Architektur und bei Objekten verstärken Schatten den Eindruck von Plastizität.
Der Schatten ist darüber hinaus ein wesentliches Gestaltungselement. Denken wir in der Malerei an die Bilder von Caravaggio oder Gentileschi. Durch ihre Hell-Dunkel-Malerei (Chiaroscuro) entsteht die Dramaturgie einer Bühne. Während das Eine ins Licht gerückt wird  treten andere Teile in den Schatten und verschwinden. Auch Film und Foto spielen mit der Dramaturgie Element des Schattens. Im Schattenspiel wird der Schatten selbst zum Hauptakteur.




In den mythologischen Vorstellungen vieler Kulturen ist der Schatten ein Begriff  für das Spiegelbild der Seel, für das „zweite Ich“ des Menschen, für dessen Doppelgänger oder dessen Ebenbild. Dieses Schattenbild ist meist in einem jenseitigen „Reich der Schatten“ angesiedelt und wird mit Dunkelheit, Nacht und Tod assoziiert. Der sichtbare Schatten gilt nach dem Volksglauben häufig als lebenswichtiger Bestandteil, der zum Wesen eines Menschen gehört und ihm aufgrund seiner Beweglichkeit nachfolgt und ihm vergleichbar mit dem ausströmenden Atem körperlich anhaftet. In der Ethnologie sind die Begriffe Freiseele und Schattenseele etabliert. Die Unterscheidung einer Schattenseele außerhalb des Körpers von einer Lebensseele im Körper ist ein bis weit in vorchristliche Zeit zurückgehendes Menschenbild. Der mit einer Lebenskrise verbundene Verlust des persönlichen Schattens ist ein psychologisches Grundmotiv in der europäischen romantischen Literatur des 19. Jahrhunderts.

Ähnlich bezieht sich der Schatten in der Psychologie auf das Unbewusste und ist verbunden mit Angst, Bedrohung und Ungewissheit. J.G.Jung unterscheidet den persönlichen Schatten und den archetypischen Schatten als den kollektiven Schatten. Der Schatten enthält unbewusste Persönlichkeitsanteile, die häufig verdrängt oder verleugnet werden, weil sie dem Vorstellungsbild des Ichbewusstseins von sich selbst entgegenstehen.

Ebenso wird auf der sozialen und politischen Ebene deutlich, dass wir unsere Gesellschaft in eine Licht- und eine Schattengesellschaft teilen. Menschen und gesellschaftliche Werte, Umstände  und Ereignisse die wir zeigen und ins Licht rücken wollen und Jene die wir verschweigen und verschwinden im  Schatten verschwinden lassen wollen.  

Der Schatten: allgegenwärtig.



Susanne Schober